“Grüß Gott - Bestattung Graz”

Am Schreibtisch hat alles seine Ordnung. Zwei Computerbildschirme an der einen Seite, das Telefon, inklusive kleiner Notizzettel in der Mitte und ein schlanker Ordner, sowie ein Schnellhefter auf der anderen Seite. Alles akribisch und sauber geordnet, geradezu perfekt. Während der Blick über den Bildschirm mit den Bildern der Kamera des Eingangstores streift, läutet auch schon das Telefon. Eben noch ruhig, gibt es nun ein eindringliches “rrrrrrrinngg” von sich. „Grazer Bestattung, Braunegger, Grüß Gott.“
Noch bevor der Tag für die meisten von uns beginnt, ist Wolfgang Braunegger, einer von fünf Portieren der Bestattung Graz, bereits im Büro angekommen. Dienstübergabe ist um 5:45 Uhr und offizieller Beginn um 6:00 Uhr früh. Für die nächsten 24 Stunden wird er der Dreh und Angelpunkt für unzählige Abläufe innerhalb der Bestattung sein. Wolfgang, eigentlich gelernter Tischler, ist bereits seit 16 Jahren bei der Bestattung Graz und kennt jeden Ablauf innerhalb des Betriebs. „Angefangen habe ich als Träger, wie die Meisten hier im Betrieb. Über die Jahre habe ich unzählige Stellen durchlaufen, bis ich hier als Portier gelandet bin.“ Während unseres Gespräches läutet unentwegt das Telefon – 250 bis 300 Mal pro Tag ist dies der Fall, meint Wolfgang. Egal ob der Erstkontakt, nachdem ein geliebter Mensch verstorben ist, die Bitte in die Buchhaltung verbunden zu werden, oder eine allgemeine Auskunft – Wolfgang ist für all diese Anliegen der erste Ansprechpartner. „Die Gespräche mit Hinterbliebenen können sehr intensiv sein, denn die Trauer ist sehr frisch und es kann auch bis zu einer halben Stunde dauern.“ Dabei darf kein Stress aufkommen, denn eine ruhige und verständnisvolle Stimme ist in diesen Momenten das wichtigste. „Portier ist auch vermutlich nicht die richtige Bezeichnung, denn wir machen so viel mehr.“

Erste Ansprechperson für alle Anliegen.
Neben den Telefonaten versorgt Wolfgang Braunegger auch die Personen im Warteraum, führt mit diesen Gesprächen oder serviert auf Wunsch einen Kaffee. Dann gibt es auch noch den „Papierkram“, wie Wolfgang meint. Ab 16:00 Uhr kann er sich darauf fokussieren. Es müssen Sterbeurkunden überprüft und geordnet und andere Dokumente kopiert und abgelegt werden. Die Trauerkärtchen aus der hausinternen Druckerei können auch jederzeit bei ihm abgeholt werden. Wolfgang führt außerdem auch die Kontrolle über die Richtigkeit aller Dokumente bei den anstehenden Einäscherungen durch. Alles wird doppelt und dreifach kontrolliert, denn es darf kein Fehler unterlaufen. Personen, die am Nachmittag versterben, werden noch am selben Tag abgeholt. Es gibt jedoch eine Vorlaufzeit von vier bis sechs Stunden, da ein Amtsarzt erst den Tod bestätigen muss. „Einige Heime erlauben eine Abholung der Toten auch erst ab 21:00Uhr.“ Dementsprechend muss Wolfgang Braunegger diese ausstehenden Abholungen koordinieren. Er beordert seine Kollegen zur Bestattung, dort bekommen sie Adresse und notwendige Dokumente und im Anschluss beginnt für die Verstorbenen die letzte Reise.
Wolfgang war viele Jahre lang selbst Träger. Sie sind für die Abholung der Verstorbenen zuständig. Diese Zeit gehört sicherlich zu den prägendsten für ihn. Erlebt hat er sehr viel, darüber geredet hat er jedoch selten. „Das hat daheim einfach nichts verloren. Meine Tochter weiß, der Papa ist bei der Bestattung und das reicht“, erzählt er uns. Der Austausch erfolgt lediglich mit seinen KollegInnen und über diese Möglichkeit ist Wolfgang Braunegger auch sehr froh. „Wir sind eine coole Truppe und es haben sich auch einige richtige Freundschaften über die Jahre entwickelt.“ Bei den Abholungen trifft man auf die unterschiedlichsten Szenarien. Sei es in einem Heim, in der Wohnung, oder im Spital – jede Abholung ist sehr speziell. „Wichtig ist das Auftreten. Beim Klingeln sagen wir Grüß Gott und beim Verlassen sagen wir auch Grüß Gott – auf Wiedersehen wäre einfach nicht passend.“ Wiederum reißt das eindringliche Klingeln des Telefons uns aus dem Gespräch und Wolfgang greift zum Hörer. Während des Telefonats erblickt er den einfahrenden Müllwagen. Wolfgang steht auf, dreht sich um und kramt aus einem kleinen Kästen den passenden Schlüssel heraus, noch bevor der Mitarbeiter der Abfallentsorgung bei ihm eingetroffen ist. Mit einem stummen Nicken übergibt er ihm den gewünschten Schlüssel. Während des gesamten Vorgangs setzte er das Gespräch mit beruhigender Stimme fort. Nachdem Wolfgang aufgelegt hat, meint er grinsend: „Ja, die Schlüssel machen wir auch noch.“
Bestatter ist auch heute noch ein Beruf mit gemischtem Ansehen. Wolfgang erzählt, dass manche Leute sehr freundlich auf der Straße grüßen, andere wiederum machen ein Kreuz und wechseln die Straßenseite.” Leider ist es noch nicht so liberal, dass Bestatter als Beruf gleich angesehen wird, wie ein Elektriker, oder ein Maurer.” Er selbst sieht seine Arbeit jedoch als Berufung und nicht als Beruf und könnte sich nach 16 Jahren nichts anderes vorstellen.